Willem de Kooning
(* 24. April 1904 in Rotterdam; † 19. März 1997 in East Hampton, Long Island, New York) war ein US-amerikanischer Maler niederländischer Herkunft. Er war einer der bedeutendsten Vertreter des abstrakten Expressionismus und gilt neben Jackson Pollock als Wegbereiter des Action Paintings. weiterlesen…Willem de Kooning war das jüngste der fünf Kinder und zugleich der einzige Sohn von Leendert de Kooning, einem Weinhändler und Getränkefabrikanten, und Cornelia Nobel, einer Barfrau aus dem Norden von Rotterdam. Die Eltern trennten sich, als Willem gerade zwei Jahre alt war, und ließen sich anderthalb Jahre später, 1907, scheiden. Der Junge lebte die ersten drei Jahre beim Vater, anschließend bei der Mutter und dem Stiefvater. Zu seiner Mutter Cornelia, genannt Cora, die in einer Hafenkneipe arbeitete und häufig wechselnde Männerbekanntschaften pflegte, die sie mit nach Hause brachte, entwickelte der junge Willem eine frühe Hassliebe, die maßgeblich auf sein ambivalentes Frauenbild im Werk, wie im Leben, reflektierte: Cora galt als besitzergreifend, starrköpfig, manipulativ und in der Liebe verschlingend: Eigenschaften, die sich später bei dem erwachsenen Willem de Kooning wiederfanden.
Im Jahr 1916 begann de Kooning eine Lehre in dem Atelier der Gebrüder Gidding bei dem Grafiker Jaap Gidding, der ihm 1920 eine Anstellung als Innenausstatter bei Bernard Romein, dem Chefdekorateur des Rotterdamer Warenhaus Cohn & Donay verschaffte. Beeinflusst von den neuartigen Malereien der gerade gegründeten De Stijl-Künstlergruppe um Piet Mondrian begann er nebenbei, bis 1924, Abendkurse an der Rotterdamer Academie voor Beldende Kunsten en Technische Wetenschappen (der heutigen Willem de Kooning Academie) zu nehmen, wo er schließlich als Meisterschüler von Johannes Gerardus Heijberg (Heyberg) mit klassischen Maltechniken vertraut gemacht wurde.
Um 1924/25 begab er sich mit seinen Freunden Wim Klop und Benno Randolfi auf eine Studienreise nach Belgien, wo er unter anderem die Königliche Akademie der Schönen Künste in Brüssel besuchte und Studien am Museum der Schönen Künste in Antwerpen betrieb. Zu dieser Zeit befasste er sich sowohl mit den aktuellen zeitgenössischen Kunstbewegungen in Deutschland und Paris als auch mit der Architektur Frank Lloyd Wrights. Er war fasziniert von der rasant wachsenden „Neuen Welt“, die ihm nicht so beengt und voller Möglichkeiten erschien. Nach zwei vergeblichen Versuchen schiffte er sich am 18. Juli 1926 in Belgien illegal mit Hilfe eines Bekannten namens Leo Cohan auf dem britischen Frachter „SS Shelley“ in die USA ein.
Am 15. August 1926 kam de Kooning in Newport News, Virginia an. Auf der Weiterfahrt nach Boston erwarb er seine Einreisepapiere und ließ sich zunächst in Hoboken, New Jersey, nieder, wo er Gelegenheitsarbeiten als Maler und Anstreicher und Zimmermann erledigte. 1927 zog de Kooning nach New York, wo er die nächsten acht Jahre als Gebrauchsgrafiker, Innendekorateur, Schildermaler für Ladenbeschriftungen oder als Fassadenmaler für Nachtclubs arbeitet. 1929/30 lernte er den Kunstkritiker John Graham, den Galeristen Sidney Janis und die Künstler Stuart Davis, David Smith und Arshile Gorky kennen. Gorky, mit dem de Kooning ein gemeinsames Atelier anmietete, wurde bald Mentor und schließlich einer seiner engsten Künstlerfreunde.
Ebenfalls 1937 begegnete er an der American Artists School der 14 Jahre jüngeren Kunststudentin Elaine Fried, mit der bald eine ebenso leidenschaftliche wie wechselhafte Partnerschaft beginnen sollte, die von einer lebenslangen Obsession aus Alkoholismus, Geldnot, Liebesaffären, Streitereien und Trennungen durchzogen war. 1939 zog Elaine in sein New Yorker Studio; die beiden heirateten am 9. Dezember 1943. Zu dieser Zeit arbeitete de Kooning an seiner ersten Serie mit Porträtmalereien von stehenden oder sitzende Männer wie Two Men Standing, Man und Seated Figure (Classic Male) die er teilweise mit Selbstporträts kombinierte wie in Portrait with Imaginary Brother (alle um 1938–39). Zu dieser Zeit orientierten sich de Koonings Arbeiten noch sehr an Gorkys surrealistischer Bildsprache und besaßen den postkubistischen Einfluss Picassos. Das änderte sich erst, als de Kooning Bekanntschaft mit dem sechs Jahre jüngeren Maler Franz Kline machte, der ebenfalls unter der figürlich-kubistischen Prägung des Amerikanischen Realismus begonnen hatte und nun zu einer monochromen Dynamik gefunden hatte. Der früh verstorbene Franz Kline zählte zu den engsten Künstlerfreunden de Koonings. Klines Einfluss zeigt sich in de Koonings kalligrafischen schwarzen Bildern dieser Zeit.
Die zeitgleiche Liaison mit Elaine dürfte darüber hinaus seine erste Serie mit Woman-Bildern wechselseitig beeinflusst, wie begünstigt haben: Elaine arbeitete zu der Zeit an ähnlichen Sujets. Um 1939/1940 vermischen sich de Koonings figürliche Arbeiten mit der amöbenartigen Formensprache Joan Mirós. Bis Mitte der 1940er Jahre änderte sich de Koonings Bildsprache kontinuierlich: Serien und die Auseinandersetzung mit der Abstraktion und der ständig wechselnden Anordnung von menschlichen Figuren im „Auflösungsprozess“ sollten bald den Schwerpunkt seiner Arbeiten bilden, wobei ihm unter anderem Picassos Monumentalwerke Les Demoiselles d’Avignon (1907) und Guernica (1937) als Vorlage gedient haben dürften. Die „Nichtvollendung“ des einzelnen Bildes erhob er dabei zum seriellen Prinzip, welches er von 1947 bis 1949 in seinem zweiten Woman-Zyklus umsetzen sollte.
Trotz aller künstlerischer Konkurrenz inspirierten sich de Kooning und Pollock gegenseitig und „prosperierten“ sogar in der Materialsprache voneinander: Während Pollock auf de Koonings schwarze Heizkörperfarben zurückgriff und zunehmend die Farbigkeit in seinem Werk reduzierte, wagte sich de Kooning mit Bildern wie Attic (1949) und Excavation (1950) erstmals an Großformate im Stile Pollocks und sprengte die von Kubismus und Surrealismus vorgegebenen Malgründe. Die gestische Malerei entwickelte de Kooning indes selbst und geht nicht auf Pollocks aktionistisches Dripping zurück. De Koonings Arbeiten dieser Zeit verweisen in ihrer Tradition eher auf den deutschen informellen Maler Hans Hofmann. Der ebenso angesehene wie umstrittene Kunstkritiker Clement Greenberg sah in ihnen überschwänglich „die wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts“, und so verwunderte es nicht, dass beide von dem Gründungsdirektor des MoMA, Alfred H. Barr, im Juni 1950 als die Protagonisten des Action Paintings auserkoren wurden.
Trotz seines plötzlichen Ruhmes entzog sich der Künstler, erneut vom Zweifel der künstlerischen Selbstfindung getrieben, jedweder stilistischer Kategorisierung und begann noch im Biennalejahr seine Bildsprache in dem dritten Women- Zyklus drastisch zu radikalisieren. In dem provokanten figurativen Zyklus brach de Kooning mit sämtlichen damaligen Tabus und zelebrierte die weibliche Gestalt mit heftigen pastosen Strichen als drallen, fleischigen, ins grotesk verformten Dämon, der den Betrachter mit boshafter Fratze zu verhöhnen scheint.
1955 verließ Willem de Kooning seine Frau Elaine und zog mit der Künstlerin Joan Ward zusammen. Im selben Jahr, am 11. August, verunglückte Jackson Pollock bei einem Autounfall tödlich. Ab diesem Zeitpunkt verschwand das Frauenmotiv plötzlich aus de Koonings Werken und wurde von expressionistischen Großstadt-Szenerien und Landschaften abgelöst.
Von 1957 bis 1963 widmete sich de Kooning fast ausschließlich gestisch-abstrakten Landschaftsbildern in immer heller werdenden Farben, die er meistens nach Orten, Straßen oder Verkehrsschildern benannte. Offenbar deutete er in dieser abstrakten Allegorie einer Autofahrt oder einer „Zeitreise“ seinen eigenen Rückzug aus der Großstadt mit der Suche nach (eigener) Vergangenheit und Herkunft an.
Vom 8. April bis zum 2. März 1965 fand die erste Retrospektive Willem de Kooning in den USA am Smith College Museum of Artin Northampton, Massachusetts statt.Organisiert vom New Yorker Museum of Modern Art fand 1968/69 die erste umfangreiche Wanderstellung de Koonings in Europa statt, mit der Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam bereiste Willem de Kooning erstmals seit 1926 sein Geburtsland; zur Ausstellung in der Tate Gallery, London, traf er mit Francis Bacon zusammen. Weitere Station des Malers in Europa waren Paris und Rom. Inspiriert durch seine Europareise suchte de Kooning ab 1969/70 mit Bronzeskulpturen erstmals die skulpturale Umsetzung seines Werkes. Ab Anfang der 1970er Jahre zog er sich immer mehr auf stundenlangen Exkursionen in die Abgeschiedenheit der Küstenregionen von Long Island zurück, experimentierte im Atelier mit der Umsetzung der Figur in Zeichnungen, Lithografien und Skulpturen und war zunehmend von kreativen Einbrüchen und Selbstzweifeln geplagt. De Kooning, der zeitlebens ein schwerer Trinker war und sich oft bis zur Besinnungslosigkeit betrank, kämpfte nun zunehmend existenziell mit der Alkoholkrankheit, was seine Schaffenskraft indes nicht minderte: Wie in einem explosiven, befreienden Rausch malte er in den Jahren 1975 bis 1977 in kürzester Zeit zahlreiche Großformate mit ungebrochen, farbigen pastosen Abstraktionen, die sich beständig um seine Lieblingsthemen drehen: Erotik, Frauen und Landschaften. Kritiker sahen in diesem, von Unruhe getriebenen Spätwerk, die künstlerische Bilanz de Koonings. 1978 kehrte seine Frau Elaine, von der er sich nicht hatte scheiden lassen, zu ihm zurück, versuchte ihn vom Alkohol wegzubringen und sollte ihn bis zu ihrem Lebensende betreuen.
Anfang der 1980er Jahre verfiel der Künstler zunehmend: de Kooning erkrankte an der Alzheimer-Krankheit, und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich drastisch, so dass er im Atelier bald von Assistenten gestützt werden musste. 1989 wurde bei Sothebys für 20,8 Millionen US-Dollar Interchange, ein Gemälde aus dem Jahr 1955, versteigert. Diese Summe war die bis dahin höchste, die je für das Werk eines noch lebenden Künstlers gezahlt wurde.
Obwohl de Kooning in den letzten Lebensjahren nicht mehr fähig war, Familienmitglieder oder engste Freunde zu erkennen, hatte er in den 1980er Jahren bis zu seinem Tod noch eine produktive Schaffensperiode, in der er mehr als 300 Ölbilder malte. Während dem Spätwerk von manchen Kritikern der künstlerische Wert abgesprochen wird, sprechen andere von einer „wundersamen Wiedererlangung von Konzentration und Ehrgeiz“, die zu einer Lösung seit langem anstehender Probleme und Erneuerung seiner Kunst führte. Dabei entwickelte de Kooning den für sein Alterswerk charakteristischen Stil, der im Gegensatz zu den dichten Kompositionen und komplexen Farben früherer Schaffensperioden durch einfache Formen und leuchtende Farben gekennzeichnet ist und mitunter mit Werken Piet Mondrians verglichen wird.
Willem de Kooning starb am 19. März 1997 mit 92 Jahren in seinem Atelier in Springs/East Hampton auf Long Island.
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