(* 12. Mai 1921 in Krefeld; † 23. Januar 1986 in Düsseldorf) war ein deutscher Aktionskünstler, Bildhauer, Zeichner, Kunsttheoretiker und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. weiterlesen…
Beuys setzte sich in seinem umfangreichen Werk mit Fragen des Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie auseinander. Dies führte zu seiner spezifischen Definition eines „erweiterten Kunstbegriffs“ und zur Konzeption der Sozialen Plastik als Gesamtkunstwerk, in dem er Ende der 1970er Jahre ein kreatives Mitgestalten an der Gesellschaft und in der Politik forderte. Er gilt weltweit als einer der bedeutendsten Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts und war ein „idealtypischer Gegenspieler“ zu Andy Warhol.
Das umfangreiche Werk von Joseph Beuys umfasst im Wesentlichen vier Bereiche: materielle Arbeiten im traditionellen künstlerischen Sinne (Malerei und Zeichnungen, Objekte und Installationen), die Aktionen, die Kunsttheorie mit Lehrtätigkeit sowie seine sozial-politischen Aktivitäten.
Ab 1961 begann Beuys mit seinem Lebenslauf-Werklauf, in der er unter anderem Erfahrungen und Erinnerungen der Kindheit, Jugend und Soldatenzeit einfließen ließ, in literarisch-künstlerischer Form eine Art „Dichtung und Wahrheit“ seiner Künstlervita zu entwerfen. Diese Eigendarstellung war auch als Kontrastprogramm zu den von Galerien und Museen erwarteten Lebensläufen der Künstler konzipiert. Beuys machte so aus seiner Biografie selbst ein Kunstwerk und „zeichnete“ eine Parallele zwischen seinem Leben und seiner Kunst.
Das zeichnerische Werk beinhaltet eine eigene Bildsprache und führte von der frühen Naturstudie bis hin zu den späten handschriftlichen Tafeldiagrammen, die er in seine Aktionen, Installationen und Diskussionsrunden miteinbezog. Seine zeichnerischen Arbeiten hatten anfangs meist einen filigranen Duktus, manchmal glichen die Zeichnungen vereinfachten Studien. Er fertigte sie gern auf alltäglichen vorgefundenen Materialien an.
In den frühen 1940er und 1950er Jahre entstanden zahlreiche Zeichnungen, die sich mit Objekten oder plastischen Werken in Verbindung bringen lassen, wobei Beuys zumeist Mischtechniken aus Aquarell und Bleistift verwendete. Darunter finden sich mit zartem Strich skizzierte Frauenakte und Tierstudien von zumeist hasen- oder hirschähnlichen Wesen. In späteren Arbeiten setzte er sich inhaltlich mit Phänomenen der Erkenntnistheorie und der energetischen oder morphologischen Transformation auseinander, denen Entwürfe neuer sozialer Strukturen folgten.
Die nach 1964 entstandenen Arbeiten auf Papier verstand Beuys als so genannte „Partituren“. Sie standen in engem Zusammenhang mit den in den 1960er und frühen 1970er Jahren durchgeführten Aktionen, besaßen einen eher funktionalen Charakter und sind „im Sinne bildkünstlerischer Praxis als Vorarbeiten zum eigentlichen Werk zu verstehen.“ Die bei seinen zahlreichen Vorträgen entstandenen Kreidezeichnungen auf Schultafeln hatten gleichfalls den Charakter der Partitur. In ihnen klingt einerseits der musikalische und rhythmische Aspekt dieser Zeichnungen durch, andererseits geben sie Hinweis auf die Requisiten, die er in seinen Aktionen benutzte. Die „Diagramme“ der 1970er Jahre dokumentieren eine immer intensivere Auseinandersetzung für die Idee einer Sozialen Skulptur und haben mitunter „den Charakter von Protokollen seiner pädagogischen Bemühungen.“ In ihnen werden strukturelle Bezüge hergestellt, die aufzeigen, dass das Werk von Beuys nicht nur den Dialog mit den Zeichen und der Bildkultur sucht, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der Philosophie, der Literatur, der Natur- und den Sozialwissenschaften. Es „motivierten ihn sowohl die Erscheinungen der Natur als auch innere Bilder und Ideen zum Zeichnen: Gedankengut des deutschen Idealismus, der Frühromantik, der Aufklärung, der Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts.“
Fluxus, Aktionskunst und Happening waren vorrangig Kunsterscheinungen der ausgehenden 1950er Jahre, die in den 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichten. Im Fluxus wirkten erstmals europäische und amerikanische Künstler in einer gemeinsamen Bewegung zusammen.
Nachdem Beuys am 5. Juli 1961 auf der Vernissage der Ausstellung ZERO. Edition, Exposition, Demonstration in der Galerie Schmela auf Nam June Paik und ein Jahr später auf George Maciunas getroffen war, führte er rund dreißig große Aktionen durch. Es begann mit dem Jahr 1962, in dem er Ideen für ein Erdklavier entwickelte. Die meisten dieser Aktionen verwirklichte Joseph Beuys in den 1960er Jahren, etwa 1963 die Sibirische Symphonie 1. Satz und die Komposition für 2 Musikanten auf dem Festum Fluxorum Fluxus. Einen selbst ausgedachten und mit der eigenen Person und ihrem Körper durchgeführten Ablauf einem Publikum zu präsentieren, war durch die Futuristen, die Dadaisten und die Happenings bereits vorweggenommen worden. Die Beuysschen Aktionen gelten als Kern seines Werks, da er sie mit einer plastischen Theorie überzogen habe, indem er der „Wärme“ und der „Kälte“, die er als „polare Grundprinzipien“ erkannte, Materialien, wie zum Beispiel Fett oder Filz, den Beuys seit den 1960er Jahren von den Vereinigten Filzfabriken AG in Giengen an der Brenz bezog, zuordnete. Der Einsatz der eigenen Person zeige neben klanglichen und akustischen Signalen die Intention, einen herkömmlichen Kunstbegriff zu einer „erweiterten Kunst“ zu öffnen, welche die „Einheit der Gattungen“ spiegele. Der besondere Aspekt der „Bewegung“ verdeutliche einen „nomadischen Habitus“ (Beuys) und damit ein Lebens- und Werkprinzip des Künstlers.
Die ersten Fluxusaktionen von Beuys fanden zunächst wenig Beachtung in der breiten Öffentlichkeit, dennoch schaffte es der Künstler, mit seinen kontrovers diskutierten Aktionen und Installationen in kurzer Zeit internationales Ansehen zu erlangen, und rangierte alsbald an erster Stelle der deutschen Kunstszene. Im Unterschied zum Happening bezog Beuys sein Publikum nicht direkt ein, verstand es jedoch, Publikumsreaktionen in seine Performances einzubinden: Bei einer Aktion auf dem „Festival der neuen Kunst“ in Aachen am 20. Juli 1964 wurde ihm von einem aufgebrachten Studenten die Nase blutig geschlagen. Obwohl ihm das Blut herunterfloss, bezog er den Angriff spontan in die Aktion mit ein und ergriff ein Kruzifix, um es „dem empörten Publikum demonstrativ vor die Nase zu halten.“ Ein Foto dieser Aktion von Heinrich Riebesehl kursierte bald in der deutschen Presse.
Während des 24-Stunden-Happenings im Juni 1965 in der Wuppertaler Galerie Parnass des Galeristen Rolf Jährling brachte er in seiner Aktion und in uns … unter uns … landunter durch die Verwendung der ursprünglich der Arte Povera zugehörigen Materialien Honig, Fett, Filz und Kupfer ein symbolträchtiges „Dingvokabular“ künstlerisch zur Anschauung, das er in dieser Aktion mit den Bedeutungen „Energiespeicherung“, „Spannung“ und „Kreativität“ belegte. Weitere Aktionen mit Titeln wie wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, 1965, Infiltration Homogen für Konzertflügel, 1966, EURASIA, 1966, Manresa, 1966, und Titus Andronicus / Iphigenie, 1969, folgten. In der Aktion I like America and America likes Me im Jahr 1974 verbrachte er drei Tage mit einem von nordamerikanischen Ureinwohnern als heilig verehrten Kojoten in den Räumen der New Yorker Galerie von René Block. Insbesondere die Aktion mit dem Kojoten, in zahlreichen Fotografien dokumentiert, trug viel zum Beuysschen Nimbus des „Schamanen“ bei, da der Künstler darin das medienwirksame Bild eines „Heiligen Mannes“ bot, der eine rätselhaft-animistische Liturgie ausübt. Insofern hatte Beuys’ Kunst auch eine Bedeutung für die seelischen Bereiche, die empfänglich für Mythen, Magie, Riten und schamanistischen Zauber sind. Beuys lehnte die Interpretation seiner Werke ebenso wie auch die Selbstinterpretation als „unkünstlerisch“ ab. „Wenn auch das Kunstwerk das größte Rätsel ist, der Mensch ist die Lösung“ sagte er und beließ es dabei.
Seine Aktionen plante der Künstler stets akribisch: er machte im Vorfeld zahlreiche Partituren und notierte seine Ideen; dabei überließ er trotz aller Spontaneität nichts dem Zufall, was in dem Filmdokument EURASIENSTAB (Antwerpen 1968) deutlich wird: Der Zuschauer sieht Beuys oft auf seine Armbanduhr schauen, um seine Handlungen genau mit der Orgelmusik des mitwirkenden Komponisten Henning Christiansen abzustimmen.
Mit der Planung und Umsetzung der Kasseler Stadtverwaldungsaktion 7000 Eichen verwirklichte Beuys eine soziale Kunst in Form eines Landschaftskunstwerks, in dem Leben, Kunst, Politik und Gesellschaft eine Einheit bilden. Um mit dieser Aktion die Stadt Kassel zur documenta 7 tatsächlich begrünen zu können, musste er eine organisatorische Mammutaufgabe bewältigen. Im Lauf der Aktion machte er die Erfahrung, dass seine Sammler ihn bei der Finanzierung dieser Aktion nicht ausreichend unterstützten, obwohl sie bisher eine enorme Wertsteigerung seiner Werke erlebt hatten. Um tatsächlich die notwendigen 3,5 Millionen DM aufzubringen, ging Beuys soweit, in einem Werbespot der japanischen Whiskymarke Nikka aufzutreten. Der Satz: „Ich habe mich vergewissert, der Whisky war wirklich gut.“ brachte allein 400.000 DM. Beuys kommentierte diesen Einsatz mit der Bemerkung: „Ich habe mein ganzes Leben lang geworben, aber man sollte sich mal dafür interessieren, wofür ich geworben habe.“
Viele Kunstaktionen von Joseph Beuys wurden von Fotografen, wie zum Beispiel Gianfranco Gorgoni, Bernd Jansen, Ute Klophaus oder Lothar Wolleh, im Bild festgehalten. Beuys verwendete diese Fotografien teilweise als positive sowie als negative Reproduktionen für seine Multiples. In späteren Fluxusaktionen setzte Beuys tonale und atonale Kompositionen und Geräuschcollagen ein, wobei er Mikrophone, Tonbandgeräte, Rückkopplungen, verschiedenen Musikinstrumente und seine eigenen Stimme einbrachte. Er arbeitete dabei zusammen mit anderen Künstlern, zum Beispiel mit Henning Christiansen, Nam June Paik, Charlotte Moorman und Wolf Vostell. Besonders schätzte er den US-amerikanischen Komponisten und Künstler John Cage.
Die documenta 5 von 1972 wird als Zäsur in Beuys’ Werk angesehen; während der 100 Tage der Ausstellung hatte er sich der Diskussion mit dem Publikum zur Verfügung gestellt. Im Folgenden entwickelte er einen erweiterten Kunstbegriff, mit dem er seine Vorstellung einer „umfassenden schöpferischen Umgestaltung des Lebens“ umriss und in dem Begriff der Sozialen Skulptur zu erfassen suchte. „Eine Gesellschaftsordnung wie eine Plastik formen, das ist meine und die Aufgabe der Kunst.“ Der Kern dieser Idee bestand in der Vorstellung, dass der „Mensch“ zu ändern sei mit den Mitteln der „Kunst“, womit er eine Gegenposition zu den in den 1960er Jahren entworfenen Mitteln des „Klassenkampfes“ bezog. Die eigene Person ist sozusagen der Werkstoff und der Mensch habe die Aufgabe, diesen Stoff eigenverantwortlich wie eine Plastik als Kunstwerk zu formen. Zugleich repräsentiert die Soziale Plastik damit auch den erweiterten Kunstbegriff von Beuys.
Die monumentalen Rauminstallationen, die stets für einen bestimmten Zusammenhang von Inhalt und Ort geschaffen waren, verdeutlichten zudem, in welcher Weise Beuys seine Arbeiten als eine Einheit sah von Formen, Materialien und praktischem wie theoretischem Handeln. Den von ihm so genannte Parallelprozess, mit dem er das Nebeneinander von künstlerischer Arbeit an „Gegenbildern“ und für ihn grundlegender Begrifflichkeit benannt hatte, hob er zuletzt auf in öffentlichen Projekten, wie zum Beispiel den 7000 Eichen für die Stadt Kassel, die er 1982 zur documenta 7 begann. Die Einschätzung, dass Beuys diese Einheit auch gelebt habe, führte zu seiner Kennzeichnung als „letzte[r] Visionär in der Kunst des 20. Jahrhunderts“.
Etliche Objekte der Beuysschen Installationen, so auch diverse Objekte und Relikte in einer Gruppe gleichartiger Vitrinen, sind Überbleibsel früherer Aktionen. Er verstand seine Installationskunst als eine Transformation der Idee – als einen Gedanken, der als „Energieträger“ plastisch dargestellt wird und den Betrachter herausfordernd oder provozierend zum Nachdenken anregen sollte.
Joseph Beuys sah in seinen Multiples, seinen als Auflage hergestellte Kunstobjekten, potenzielle Träger und Vehikel zur Verbreitung seiner Ideen. Durch die serielle Ausfertigung des jeweiligen Objekts und dessen Vertrieb beabsichtigte er, einen größeren Kreis von Menschen zu erreichen.
Multiples aus selbst gestalteten oder vorgefundenen Objekten entstanden bei Beuys aufgrund sehr unterschiedlicher Arbeitsmethoden als „Ergebnis überlegter Formfindung im Atelier, als Relikte von Aktionen, Produkte von Prozessen oder spontan aus einem konkreten Anlaß heraus.“ So gingen bei Beuys vor 1965 Holzschnitte und Radierungen, ab 1965 die Druckgrafik und ab 1980 Wahlplakate für Die Grünen in die gezielte Produktion seiner Editionen ein. Ferner fanden Fotografien seiner Aktionen in seinen Multiples Verwendung, er übermalte sie oder ordnete die Bilder, oft mit Kreuzen oder anderen Übermalungen versehen, in Kästen an, was teilweise mit den aneinander genähten Polaroids und Automatenfotos in Andy Warhols Multiples zu vergleichen ist, wobei Beuys den dokumentarischen Wert betonte, während bei Warhol die Idee der Serie im Vordergrund stand. Eines der letzten Multiples von Beuys war die Capri-Batterie aus dem Jahr 1985.
Naturwissenschaftliche und zoologische Studien führten bei Joseph Beuys Ende der 1960er Jahre zu erheblichen Bedenken gegen ein, wie er meinte, zu einseitiges Kunst- und Wissenschaftsverständnis und zu der Ansicht, dass der gängige Erfahrungssatz zur erkenntnistheoretischen Begründung, so wie sie die klassische Naturwissenschaft sieht, nicht ausreichte. Nach Beuys war „der erweiterte Kunstbegriff […] das Ziel des Weges von der traditionellen (Moderne Kunst) zur anthropologischen Kunst.“
Beuys kam zu der Erkenntnis, dass die Begriffe „Kunst“ und „Wissenschaft“ in der Gedankenentwicklung des Abendlandes einander diametral gegenüberstehen und dass diese Tatsache Anlass sei, nach einer Auflösung dieser Polarisierung in der Anschauung zu suchen. Die Auseinandersetzung mit der Anthroposophie Rudolf Steiners führte schließlich zu seinem Konzept eines erweiterten Kunstbegriffs und einer Sozialen Plastik, unter der er eine kreative Mitgestaltung an der Gesellschaft durch die Kunst verstand.
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