(* 7. Februar 1890 in München; † 8. Juni 1973 in Braunschweig) war ein deutscher Maler, Werbegrafiker, Designer, Verkehrsplaner und Publizist. Er wirkte auch als Kunsthistoriker und leitete während des Zweiten Weltkriegs ein Museum in Braunschweig. weiterlesen…
Walter Dexel studierte 1910 bis 1914 Kunstgeschichte an der Universität München bei Heinrich Wölfflin und Fritz Burger. Er besuchte nebenbei die Zeichenschule Gröber in München, unternahm eine Studienreise nach Italien und malte – noch beeinflusst von Paul Cézanne – erste Bilder. Kurz vor Kriegsausbruch hielt er sich zu einem Studienaufenthalt in Paris auf.
1916 wurde Walter Dexel zum Kriegsarchiv in Jena abgestellt und an der Universität Jena bei Botho Graef promoviert. Zwischen 1916 und 1928 war Dexel Ausstellungsleiter des Jenaer Kunstvereins. Er baute die von Graef begonnene Sammlung des Kunstvereins aus, die schließlich Arbeiten von unter anderem Alexander Archipenko, Alberto Giacometti, Erich Heckel, Paul Klee, Oskar Kokoschka und Emil Nolde umfasste. Er organisierte Dada-Abende genauso wie Ausstellungen von Expressionisten, Bauhaus-Künstlern, Realisten und Konstruktivisten. In Jena war er mit dem damals in Weimar angesiedelten Bauhaus vertraut und mit dessen Protagonisten zum Teil befreundet.
1921 lernte Dexel Theo van Doesburg kennen. Um diese Zeit datiert in Dexels Kunst eine Hinwendung zu einer abstrakt-konstruktiven Bildwelt. 1923 organisierte er zusammen mit Willi Baumeister und Erich Buchholz eine Konstruktivisten-Ausstellung in Jena. Das Projekt eines Wohnhaus-Entwurfs für Familie Dexel von Ludwig Mies van der Rohe aus dem Jahr 1925 kam über erste Skizzen nicht hinaus.
Es gelang Dexel, seine „bildimmanente Syntax“ aus den Bereichen der Sammler- und Museumskunst in die Funktionsbereiche des urbanen Alltags zu übertragen. Dexels Verständnis von (guter) Werbung war dabei ein durchaus eingeschränktes, für ihn fielen „Typografie“ und „Reklame“ so gut wie zusammen. Insofern war Reklame für ihn „Gebrauchskunst“ ohne alles genialische Künstlertum.
Am 1. Mai 1933 trat Dexel – wie alle Lehrkräfte der Magdeburger Kunstgewerbe- und Handwerksschule – in die NSDAP ein. Dennoch entlässt ihn die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg 1935, mit der Begründung er sei ein „Entarteter Künstler“ und ein „unzuverlässiger Nationalsozialist“. 1937 wurden zwei seiner in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigten Arbeiten nach seinem Protest daraus entfernt. 1936 bis 1942 war Dexel Professor für Theoretischen Kunst- und Formunterricht an der Staatlichen Hochschule für Kunsterziehung in Berlin-Schöneberg. 1942 wurde Dexel von der Stadt Braunschweig beauftragt, eine Sammlung historischen und modernen Gebrauchsgeräts aus Handwerk und Industrie aufzubauen. Parallel lehrte er an der Braunschweiger „Meisterschule für das gestaltende Handwerk“ (so die NS-Bezeichnung für die spätere Hochschule für Bildende Künste). Dexel knüpfte damit an seine eigene Sammlungs- und Publikationstätigkeit zum Thema „Hausgerät“ an, die 1931 begann.
1945 wurde Dexel entlassen und 1946 nach einem Entnazifizierungsverfahren, das ihn als entlastet einstufte, wiedereingestellt. 1953 wurde die Sammlung nun als „Formsammlung“ in der Broitzemer Straße mit der damaligen Werkkunstschule verbunden. Dexel wirkte dort bis zu seiner Pensionierung 1955. Die „Formsammlung“ erwarb Teile seiner privaten Kollektion zum gleichen Themenfeld aus Anlass seines Ausscheidens. Sein Sohn Thomas Dexel leitete die „Formsammlung“ anschließend mit eigener, veränderter Schwerpunktsetzung. Inzwischen ist sie mit insgesamt etwa 1600 Inventarnummern im Städtischen Museum Löwenwall magaziniert. Ein kleiner Teil ist in der ständigen Präsentation des Museums ausgestellt. 1948 und 1952 nahm Walter Dexel an den Ausstellungen der Braunschweiger Künstlergruppe „die unabhängigen“ teil. Erstmals waren einige seiner konstruktivistischen Werke der Vorkriegszeit wieder zu sehen. 1961 nach Abschluss seiner Tätigkeit als Erforscher des europäischen Hausgeräts, begann er wieder zu malen. Das Stadtmuseum Braunschweig widmete ihm 1962 eine Werkschau. Der Journalist Walter Vitt publizierte über Jahre wichtige Aspekte von Dexels Leben und Werk und veröffentlichte dessen Texte. Die Kunsthistorikerin Ruth Wöbkemeier erforschte und dokumentierte sein bildnerisches Werk. Zu den typografischen und gestalterischen Entwürfen Dexels publizierten die Grafik-Designer und Designhistoriker Eckhard Neumann und Friedrich Friedl maßgebliche Beiträge. Dexel war nun auch wieder als Kritiker und Zeitzeuge gefragt. So veröffentlichte Neumann im Katalog der Ausstellung „Bauhaus – Idee – Form – Zweck – Zeit“ der göppinger galerie in Frankfurt am Main erstmals Dexels Beitrag „Der 'Bauhausstil' – ein Mythos“. Der knappe Text, in dem sich Dexel darauf beruft, „Beobachter aus nächster Nähe“ gewesen zu sein, beeinflusste die Debatte um Avantgarde-Strömungen der Zwischenkriegszeit maßgeblich. Er resümierte, nach 1945 habe ein „all zu bequemer Journalismus sich nicht die Mühe gegeben, die Geschichte der zwanziger Jahre wirklich zu erforschen“. Man könne nicht mit dem Schlagwort Bauhausstil ein „weit gespanntes, aus vielen Wurzeln gewachsenes Geschehen einfach zudecken“.
Die Person Walter Dexels ist womöglich typisch für Brüche eines deutschen Intellektuellen, Künstlers und Gestalters in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, dessen Lebensentwurf durch die NS-Diktatur radikal im Frage gestellt wurde. Er war zugleich Kunsthistoriker und Künstler, der an der Entwicklung der zeitgenössischen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts persönlichen Anteil hatte, aber auch in Jena moderne Kunst und ihre Schöpfer zu einem Zeitpunkt durch Ausstellungen, Ankäufe, Vorträge und Veröffentlichungen förderte, als ihr Werk und die Moderne insgesamt noch keine breite Anerkennung fand.
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